«Wir zahlen einen hohen Preis – aber das ist es wert»

«Tag der Schweizer Garagisten» 2019

«Wir zahlen einen hohen Preis – aber das ist es wert»

15. Januar 2019 agvs-upsa.ch – Kaum eine Branche wurde von der Digitalisierung so früh und so wirkungsvoll getroffen wie die Hotellerie. Maria Coli, Hotelière im Aroser 5-Sterne-Haus Kulm, sprach am «Tag der Schweizer Garagisten» 2019 über die Herausforderungen und Chancen von Online-Plattformen.

coli_920px.jpg

sco. Als Hotelière weiss Maria Coli, wie sie Gäste in ihren Bann ziehen kann. Also stieg sie in ihr Referat mit einem Beispiel aus der Autoindustrie ein: Mit der alten Marke Borgward. Diese beschäftigte zu ihren besten Zeiten Ende der 1950er-Jahre rund 20'000 Mitarbeiter und schuf mit dem «Borgward Isabella» eine deutsche Designikone. Doch die Marke verzettelte sich schliesslich mit zu vielen Modellen und ging in den 60er-Jahren Konkurs. Den Firmengründer Carl Borgward beschrieb Maria Coli als begnadeten Ingenieur, aber auch beratungsresistenten Alleinherrscher.

«Die unzufriedensten Kunden sind unsere beste Lernquelle», zitierte Maria Coli den Software-Gründer Bill Gates und leitete damit zu den Herausforderungen über, mit denen sich die Hotellerie seit rund zehn Jahren befassen muss: Booking.com, Airbnb.com, Expedia.com und Co. haben den Markt für Logiernächte komplett transformiert.

40 Prozent aller Logiernächte in der Schweiz werden heute über elektronische Kanäle (inklusive E-Mail) gebucht, 27 Prozent über die oben genannten Buchungsplattformen. Für die Hoteliers ist das teuer. «Booking und Co. verlangen zwischen fünf und 25 Prozent Kommission pro Buchung. Für den Gast macht das keinen grossen Unterschied, er bezahlt für sein Zimmer mehr oder weniger denselben Preis.» Immerhin wurden die Knebelverträge aufgelöst, die den Hoteliers verboten hatten, die Preise der Online-Plattformen auf ihrer eigenen Website zu unterbieten.

Die Entwicklung durch die Online-Buchungsplattformen sei nicht aufzuhalten, erklärte Maria Coli. «Die Kunden werden immer digitaler. Sie buchen im Internet, statt ein Telefon in die Hand zu nehmen oder gar einen Fax zu schicken.» Die Hotellerie sei zu lange «auf dem hohen Ross» gesessen, meinte sie durchaus selbstkritisch. «Jetzt dürfen wir uns nicht in die Opferrolle begeben, sondern müssen im Gegenteil versuchen, so viel wie möglich richtig zu machen: Wir müssen unsere Kunden überraschen und begeistern – am Ende liegt es am Hotel und den Mitarbeitern, die Gäste glücklich zu machen.»

Der Faktor Mensch bleibt also auch in Zeiten der Digitalisierung der grosse Trumpf. Es gehe um den Spagat zwischen digitaler Effizienz und emotionaler Bindung an die Gäste. Doch nicht nur die Buchungsplattformen haben das Geschäftsmodell in der Hotellerie verändert, auch die Bewertungsplattform Tripadvisor sei mittlerweile von herausragender Bedeutung. «Ich müsste lügen, wenn ich Ihnen sagen würde, es sei nicht wichtig, das Hotel mit den besten Online-Bewertungen in Arosa zu sein», sagte die erst 30-jährige Hoteliere, die sich selbst als Teil der «Generation Y» bezeichne.

Noch vor zehn Jahren seien Bewertungsplattformen ein neues und ziemlich unbekanntes Phänomen gewesen. Coli: «Was neu ist, wird zunächst gerne belächelt. Viele Hoteliers haben die Bewertungen nicht mal gelesen!» Heute sei gerade Tripadvisor nicht mehr wegzudenken, sagte Maria Coli und unterlegte dies mit eindrücklichen Zahlen:
 
→ 79 Prozent aller Reisenden lesen 6 bis 12 Bewertungen, bevor sie ein Hotel buchen.
→  88 Prozent aller Reisenden entscheiden sich gegen ein Hotel, wenn es weniger als 3 von 5 Sternen hat.
→  32 Prozent buchen nicht, wenn es weniger als 4 Sterne hat.

Fluch oder Segen?
Ist diese Form der Digitalisierung ein Fluch oder ein Segen? Gerade Tripadvisor gebe dem Konsumenten eine «Wahnsinnsmacht», sagte Maria Coli. Sie wolle dies aber nicht nur als Risiko sehen, sondern auch als Chance. «Es gibt zwei Arten von Gästen, die bewerten: Die einen loben, die anderen kritisieren. In beiden Fällen müssen Sie die Bewertung beantworten. Tun Sie dies ruhig, freundlich und einsichtig. Sie können die Meinung des Kunden nicht ändern. Aber sie können ihn ernst nehmen und ihm das Gefühl geben, seine Bewertung habe Einfluss auf die zukünftige Geschäftsführung.»

Um einen anspruchsvollen Kunden zu überzeugen, brauche es Herzlichkeit, Empathie und Authentizität. «Wir müssen authentisch sein. Wir müssen gerne tun, was wir tun, und wir müssen uns treu bleiben», rief Maria Coli den über 800 Tagungsteilnehmern zu und unterstrich den Rat mit einem Beispiel: «In Arosa sind wir umgeben von alpinen Spezialitäten. Also servieren wir Huhn aus der Bündner Herrschaft und Kartoffeln aus dem Albulatal. Warum sollten wir in den Bergen Hummer, Kaviar oder Meerfisch anbieten? Sie sollten das mal probieren kommen…», so die junge, innovative und wortgewandte Hoteliere, die die Lacher auf ihrer Seite hatte.
 
Feld für switchen des Galerietyps
Bildergalerie