Noch vor wenigen Jahren waren Infotainmentsysteme für die grosse Mehrheit der Schweizerinnen und Schweizer unerschwinglich. Spurhalteassistenten, adaptive Tempomate oder Einparkhilfen waren etwas für Autos der Luxusklasse. Das hat sich heute grundlegend gewandelt. Mehr als 200 Sensoren sammeln schon in Kleinwagen Daten – mit dem Ziel, das Autofahren noch bequemer und sicherer zu machen.
Daneben wächst die Anzahl der Antriebstechnologien: Wo vor wenigen Jahren noch ausschliesslich Diesel- und Benzinmotoren gewartet und repariert wurden, finden sich heute auch diverse Hybrid-Varianten, CNG-Autos und Fahrzeuge mit rein elektrischem Antrieb (BEV). Damit steigen einerseits die Anforderungen an die Mitarbeitenden in der Werkstatt – Weiterbildung wird zur Pflicht! – aber auch die Anforderungen an die Werkstatteinrichtung.
Ein Schlagwort im modernen Garagenbetrieb ist «Augmented Reality» (AR) und «Virtual Reality» (VR). Hier verschmelzen die reale und die digitale Welt. «Augmented Reality» kann einerseits in der Schulung der Mitarbeitenden und zu Trainingszwecken eingesetzt werden. Andererseits ermöglicht sie Zeitersparnisse bei der Reparatur, indem Anleitungen und Hinweise für benötigte Spezialwerkzeuge direkt auf dem Tablet oder in der VR-Brille angezeigt werden können. Laut Hersteller Bosch ist selbst bei gängigen Fahrzeugen und wenig komplexen Reparaturarbeiten eine Zeitersparnis von durchschnittlich 15 Prozent möglich. AR eignet sich für Betriebe jeder Grösse.
Elektronische Werkzeuge sind dort von Nutzen, wo hochpräzise Verschraubungen und hohe Genauigkeit erforderlich sind. Ein digitaler Drehmomentschlüssel kann über den PC oder das Smartphone programmiert werden, indem die Zielwerte eingestellt werden. Bei der Montage werden die Daten live angezeigt; der Mitarbeiter wird über ein akustisches oder optisches Signal über den optimalen Krafteinsatz informiert. Montagefehler können so vermieden werden. Nicht zuletzt unterstützen diese elektronischen Werkzeuge die Dokumentation der Wartungs- oder Reparaturarbeiten.
In nicht allzu ferner Zukunft dürften auch 3D-Karbondrucker zum Werkstattalltag gehören. Sie werden es erlauben, einfache Ersatzteile dezentral und direkt vor Ort zu produzieren. Die Beschaffung wird nochmals beschleunigt, Lagerhaltungskosten werden reduziert. Aufgrund der hohen Umsetzungskosten sieht das Projektteam der Universität St. Gallen, das sich im Auftrag des AGVS mit digitalen Prozessen in der Autowerkstatt beschäftigte, die Einführung des 3D-Drucks derzeit ausschliesslich in Grossbetrieben.
Ein Tool, das heute schon erhältlich und beispielsweise in Grossbritannien weit verbreitet ist, ist der sogenannte Video-Check. Der Mechatroniker dreht mit seinem Smartphone oder Tablet ein kurzes Video des Fahrzeugs und kann so auf auszuführende Arbeiten hinweisen. Der Kundenberater erstellt aufgrund des Videos eine Offerte und sendet diese zeitgleich mit dem Video an den Kunden. Dieser kann dann entscheiden, welche Arbeiten er ausgeführt haben möchte und welche nicht. Das Video-Tool erhöht die Transparenz, schafft Vertrauen und löst laut dem europäischen Marktführer Citnow auch Zusatzaufträge aus.
Ebenfalls mit Bildern arbeitet beispielsweise Bosch mit der App «Visual Connect». Werkstattmitarbeiter können sich direkt mit dem technischen Support verbinden und sich von diesem sprichwörtlich über die Schulter blicken lassen. Der Support-Mitarbeiter sieht nun genau das, was der Werkstattmitarbeiter sieht und kann ihn Schritt für Schritt auf dem Lösungsweg begleiten.
Weniger persönlich, aber ebenfalls möglich ist der Einsatz von Chatbots: Der Mechatroniker stösst auf ein Problem, das er nicht alleine lösen kann, und fragt nun den Chatbot (resp. das Internet), ob das Problem bereits einmal aufgetreten ist. Der Chatbot unterstützt ihn bei der Recherche im schier unendlichen Wissens- und Informationsschatz des weltweiten Netzes, um rasch die korrekte Lösung zu finden.
Die Autos werden komplexer und mit ihnen die Werkstattarbeiten. Diese Komplexität verlangt nach Antworten. Einige davon hat die Gruppe von Studierenden gefunden. Weitere werden folgen. Denn mit der rasanten Entwicklung der Technologie müssen und werden sich auch die Prozesse in der Autowerkstatt verändern.
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