«Die Branche wird schlechter geredet, als sie ist»

Garagenberater im Interview

«Die Branche wird schlechter geredet, als sie ist»

5. Mai 2023 agvs-upsa.ch – Seit über einem Vierteljahrhundert berät Markus Ming schweizweit Betriebe vom grossen Händler bis kleinen Garagisten in betriebswirtschaftlichen Themen des Autogewerbes. Wir fragen den Inhaber von Ming Consulting nach Agenturmodellen, E-Mobilität, Datenschutz, DMS – und der Zukunft.

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Auch für kleinste Betriebe hilfreich: Garagenberater Markus Ming empfiehlt, sich in jedem Fall ein Dealer Management System zuzulegen und sich dazu eine passende Fortbildung zu gönnen. Foto: SAG

tpf. Herr Ming, wann rufe ich als Garagist einen Garagenberater an – wenn ich ein Problem habe?
Markus Ming: (Lacht.) Idealerweise, wenn Sie besser werden möch-ten. Ist das Problem bereits da, ist es an sich zu spät und wird aufwendiger. Wenn Sie sich vorher verbessern, stellt sich das Problem gar nicht ein.

An Herausforderungen mangelt es nicht. Welche betriebswirtschaftlichen Themen brennen unter den Nägeln?
Bei markengebundenen Garagisten sind es neue Vertriebsmodelle, bei allen sind es steigende Kosten – ob Energie, Personal oder neue systemische Kosten wie IT-Lizenzen. Hinzu kommen Lieferverzögerungen, die zu massiven Ertragsausfällen führen können und ein neues Phä-nomen sind, nachdem Corona glimpflich ablief.

Die neuen Agenturmodelle sind umstritten. Sind sie ein Fluch – oder ist auch Segen dabei?
Das Agenturmodell ist noch immer schwierig einzuschätzen, es gibt noch viele Unbekannte darin: Vielerorts ist die IT-Systemlandschaft nicht so weit, kennt niemand die Prozesskosten – deshalb starten manche erst 2026. So ein radikaler Bruch schürt natürlich Ängste, aber es hängt alles davon ab, wie man es umsetzt. Aber tendenziell kann das finanzielle Risiko sinken. Stichwort Lagerhaltung: Noch vor drei, vier Jahren waren die Bestände gross und deren Finanzierung ein Thema – das fiele weg. Bei den Margen erwarte ich eine grosse Spreizung. Steht eine Marke im Interbrand-Wettbewerb unter Druck, könnte die Marge in etwa so bleiben. Beim Intrabrand-Wettbewerb ist die Frage, ob er wirklich entfällt oder es weiterhin Wege gibt, zulasten der Margen Rabatte zu gewähren. Aber wie gesagt: Für ein klares Bild fehlen zu viele Informationen. In einem Jahr sind wir klüger.

Wie verändern sich die Werkstattumsätze durch die Elektromobilität?
Noch nicht. Im Moment ist Elektromobilität ein Kostentreiber, weil sie Investitionen erfordert, und sicher ist sie für kleinere Betriebe eine Herausforderung. Der Wartungsbedarf sinkt, aber die Reparaturen sind dann aufwendiger. Natürlich muss man sich überlegen: Wie generiere ich neue Dienstleistungen? Aber so sehr die E-Mobilität zunimmt, so lange dauert es noch, bis der Bestand an den bisherigen Antrieben stark abnimmt.

Im Herbst kommt das neue Datenschutzgesetz. Ein betriebswirtschaftliches Thema?
Sogar sehr: Es betrifft Dealer Management Systeme. Es ist komplex und wichtig, sich dem früh anzunehmen. Auch wirtschaftlich: Es drohen massive Bussen. Das betrifft gerade markengebundene Händler, weil sie bei der Datenweitergabe Verantwortung tragen. Ist man unsicher, sollte man sich unbedingt Expertenrat holen.  

Sind denn Dealer Management Systeme heute für jede kleinste Garage ein Muss?  
Natürlich könnte man sich fragen, ob ein Zwei-Mann-Betrieb ein DMS braucht. Aber ich finde: Es geht kaum ohne bei all den Regularien – etwa Zeiterfassung oder Mehrwertsteuer. Es muss nicht das grosse DMS sein, es gibt gute kleine Lösungen. Und die Zeiten, in denen die Kundschaft eine schnell geschriebene Handquittung akzeptiert, sind so vorbei wie jene, in denen ein Windows-Kurs reichte, um der IT-Verantwortliche zu sein.

Ist der IT-Bereich selbst bei kleineren Garagen ein grosses Thema?
Im Zeitalter der Cyberangriffe auch für kleinere Garagen unbedingt! Ich kenne kleine Betriebe, die eine Woche lang ausser Gefecht waren. Sicher ist IT ein Kostentreiber, aber man sollte auf Fachleute vertrauen: Auch eine Cyberangriffsversicherung bezahlt nichts, wenn Ihre IT nicht ihre Hausaufgaben gemacht hat.

Gibt es denn sonst typische betriebswirtschaftliche Fehler im Autogewerbe?
Ich hüte mich vor Aussagen wie «typische Fehler». Es gibt keine Standardrezepte, jeder Betrieb ist anders. Generell sind Nachlässigkeit beim Rechnungswesen und der Drang, überall perfekt sein zu wollen, Themen. Zahlen muss man ernst nehmen: Buchhaltung geht nicht neben-her, ein Konto leert sich ganz schnell. Und ertragsseitig in allem gut zu sein, ist fast unmöglich. Bin ich in etwas gut, bin ich woanders nicht ganz so gut. Also muss man herausfinden, welche Kennzahlen wichtig sind – und das sind in jedem Betrieb andere.

Sollte man das Thema Betriebswirtschaft dann nicht ganz auslagern?
Komplettauslagerung geht nur für kleinste Betriebe und muss sinnvoll gelöst sein. Ein DMS plus Fortbildung kann eine Alternative sein. Ich arbeite teils für kleinere Betriebe, die sich keinen eigenen Spezialisten leisten können, und schaue dort einmal im Monat die Zahlen an: Solche Hybridmodelle können gut funktionieren.

Der AGVS bietet etliche Weiterbildungen an. Lohnt sich aus Beratersicht, dass ich teilnehme?
Wer rastet, der rostet! (Lacht.) Aber ja, unbedingt! Auch ich muss und will mich stetig weiterbilden wegen regulatorischer Veränderungen und Branchenentwicklungen und als Verpflichtung gegenüber Kun-dinnen und Kunden. Nehmen Sie sich jedes Jahr mindestens ein, zwei Tage Zeit dafür, jeder neue Input ist wertvoll.

Wertvoll sind heute auch Fachkräfte. Aber das ist für Sie als Berater wohl nicht so ein Thema?
Doch, doch! (Lacht.) Das ist ein zentrales betriebswirtschaftliches Thema, für das ja auch der AGVS sehr viel tut. Personalsuche ist kos-tenintensiv. Aus meiner Sicht muss man sich leisten, die richtige Betreuung von und das geeignete Umfeld für Lernende zu schaffen: Nur so finden, entwickeln und halten Sie gute Fachkräfte. Man wird künftig auch kaum darum herumkommen, das Lohn- oder auch Ferientageniveau konkurrierender Branchen anzuschauen, um wettbewerbs-fähig zu bleiben – denn wir müssen Nachwuchs selbst generieren.

Brauche ich als Garagist eigentlich einen Businessplan?
Es muss kein Businessplan im klassischen Sinn sein, keine Masterarbeit. Aber man muss einen Leuchtturm haben, eine Strategie, wo man hinmöchte. Daraus leitet man dann ab: Was, wie lange und welche Mittel brauche ich dafür, welche Ertragserwartungen habe ich? Am Schluss muss man, so kitschig das vielleicht tönen mag, glücklich sein mit dem, was man macht. Das wird man nur, wenn man die eigenen Ziele erreicht.

Erreichen die Schweizer Garagisten auch in Zukunft ihre Ziele?
Das Gros der Garagen ist gut unterwegs. Die Branche wird leider oft schlechter geredet, als sie ist. Ich setze höchstens Fragezeichen bei markengebundenen Händlern: Die Kluft im Denken zwischen OEM und Händlern wächst. Doch andererseits haben schon vor 20 Jahren alle von einem Garagensterben gesprochen, das nie kam. Stellt man sich Herausforderungen und macht das Beste aus Rahmenbedingungen, hat man Zukunft!
 
 



Der Garagenberater

Markus Ming (52) von der Ming Consulting GmbH (Buochs NW) ist Fachmann Finanz- und Rechnungswesen mit eidg. Fachausweis, Controller und Revisor und seit 26 Jahren Berater im Autogewerbe – vom kleinen Garagenbetrieb bis grossen Markenhändler. «Ich habe meine Passion zum Beruf gemacht: Zahlen und Autos», sagt Ming lachend. Seine Tätigkeit umfasse «das ganze Spektrum betriebswirtschaftlicher Beratung» samt täglichem «Fronteinsatz». «Ich bin Controller durch und durch», sagt Ming, «aber ich muss immer erst den Betrieb verstehen: Jede Bilanz ist ein Produkt der Menschen.»
 


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