Marktmacht von Zulieferern und Importeuren: Was können Händler tun?

Management und Recht

Marktmacht von Zulieferern und Importeuren: Was können Händler tun?

9. Oktober 2018 agvs-upsa.ch – Innovationsmöglichkeiten von regionalen KFZ-Betrieben und Garagisten hängen von fairen Vertragsbedingungen marktmächtiger Zulieferer oder Importeure ab. Die branchenspezifische Marktstruktur hat einen enormen Einfluss auf die Vertragsbeziehungen. Dies ist unter anderem im Aftersales-Bereich spürbar, wenn Importeure bisweilen unangemessen hohe Anforderungen an Werkstätten stellen. Dieser Beitrag erläutert, welche Grenzen das Kartellrecht den regelmässig marktbeherrschenden Importeuren bei der Gestaltung des Werkstattnetzes setzt. Ein Beitrag von Patrick Krauskopf und Magdalena Gneist.
 

Dr. Patrick Krauskopf.Die Ausgangslage
99 Prozent der in der Schweiz tätigen Kfz-Betriebe sind KMU. Diesen über 5000 Kfz-Betrieben stehen zwei Dutzend Hersteller bzw. deren Importeure gegenüber. Dies ist einer der Hauptgründe, warum Kleinbetriebe von Grossimporteuren in kartellrechtlich relevanter Weise abhängig sind und Verträge, Anhänge und Richtlinien zumeist ohne jede vorangehende Verhandlung hinnehmen müssen. Importeure errichten in der Regel ein den eigenen kommerziellen Zielen dienendes Werkstattnetz.

Oft reicht es nicht, dass die Garagen die Anforderungen (insbesondere die qualitativen Standards) für Werkstätten der jeweiligen Marke erfüllen. Bei der Restrukturierung des Werkstattnetzes werden fast nur konzerneigene Unternehmen berücksichtigt. 

Die Besonderheiten des Aftersales-Bereichs
Die Geschäftsbeziehungen zwischen den Importeuren und Markenvertretern weisen Besonderheiten auf Originalersatzteile: Wartung, Instandstellung und Reparatur von Fahrzeugen einer bestimmten Marke sowie der Handel mit entsprechenden Originalersatzteilen und Zubehör bilden den Hauptgegenstand der Werkstatt- und Ersatzteilhandelverträge.

• Garantie- und Serviceleistungen: Für einen Garagisten sind Garantie- und Serviceleistungen, die vom Hersteller finanziert werden und für den Käufer der Fahrzeuge einer Marke kostenlos sind, in der Regel existenzerhaltend. Darunter fallen etwa Serviceleistungen im Rahmen von Kulanz- und Garantiearbeiten, unentgeltlicher Kundendienst sowie Rücknahme- und Rückrufaktionen. Heute sind regelmässig Garantie- und Gratisserviceleistungen bis zu fünf Jahren beim Kauf eines Neuwagens inkludiert. Ein markenfreier Betrieb erhält damit erst dann Zugang zu den Fahrzeugen, wenn die Garantiefrist abgelaufen ist.

• Marktzugang: Die Ausgestaltung dieser Garantie- und Kulanzarbeiten bei Serviceverträgen erlaubt dem Garagisten den Zugang zu Kunden, sprich zum Markt schlechthin.

Gefährdete unternehmerische Selbstbestimmung des KFZ-Gewerbes
Importeure verfügen in der Schweiz meist über ein selektives Werkstattnetz. Nur Garagen, welche die Anforderungen (qualitative Standards) für Werkstätten der jeweiligen Marke erfüllen, werden zugelassen.

• Investitionsrisiko: Der Aufbau und Unterhalt eines den Standards des Importeurs entsprechenden fachkompetenten Kundendienst- und Servicebetriebs erfordert vom Garagisten in der Regel einen grossen Aufwand und teilweise kostenintensive Investitionen (so nebst den betrieblichen Investitionen auch in die Schulung und Spezialwerkzeuge et cetera).
• Abhängigkeit und Kontrolle: Damit zugelassene und qualifizierte Garagisten diese Arbeiten werkskonform ausführen, müssen die entsprechenden Betriebsabläufe und -prozesse in der Geschäftsbeziehung vertraglich genau umschrieben werden. Faktisch wird die entsprechende Werkstatt stark in die Organisation des Importeurs eingebunden, was wiederum eine stärkere Kontrolle  durch den Importeur zur Folge hat und mehr Druck auf den Garagisten erzeugt.
 

Lösungsansätze des Kartellrechts
Das Kartellrecht schützt Händler und Werkstätten vor erzwungenen und «unfairen» Standards – sofern der Hersteller/Importeur marktmächtig ist – und enthält Instrumente, um KMU vor dem existentiellen Verlust von markenspezifischen Investitionen zu schützen. In diesem Fall sind die Standards nicht nur ungültig, sondern es drohen dem Importeur dann auch hohe Bussgelder von der Wettbewerbsbehörde (WEKO).

Marktmächtige/marktbeherrschende Unternehmen: Ein Importeur gilt als marktmächtig, wenn er sich auf einem Markt als Anbieter weitgehend unabhängig von anderen Marktteil­nehmern verhalten kann. Gemäss Rechtsprechung und Behörden­praxis in Deutschland und Österreich trifft dies auf die Hersteller im Aftersales-Bereich in der Regel zu. Die Rechtslage in der Schweiz dürfte gleich zu beurteilen sein.
Schutz vor Marktmachtmissbrauch: Die Marktmacht der Importeure erlaubt es deshalb, Rechte und Pflichten aus dem Vertrag einseitig zulasten der Garagisten zu formulieren. Hiergegen enthält das Kartellgesetz Rechtsbehelfe gegen einen Marktmachtmissbrauch (Art. 7 KG). Garagisten können vor einer vorzeitigen Vertragsaufhebung oder vor unverhältnismässigen Standards geschützt werden und somit vor einem existenziellen Verlust der zuvor getätigten Investitionen.

Was tun?
Fühlt sich ein Garagist, der von dem Vertragsverhältnis mit seinem Importeur beziehungsweise Hersteller abhängig ist, in seiner unternehmerischen Freiheit eingeschränkt, hat er entsprechend der kartellrechtlichen Bestimmungen unter anderem Anspruch auf:

• Beseitigung oder Unterlassung der Behinderung durch den marktmächtigen Vertragspartner.
• Schadenersatz, sofern dem Garagisten durch die einschränkenden Bedingungen ein Schaden entstanden ist.

Dies setzt oft den Gang vor die Zivilgerichte voraus, die dann etwa anordnen, dass Verträge ganz oder teilweise ungültig sind oder dass branchenübliche Verträge abzuschliessen sind. Dies ist jedoch häufig eine finanzielle und rechtliche Hürde für Werkstättenbetreiber, weshalb eine Beratung im Voraus unabdingbar ist: Der AGVS hat unter anderem das Ziel, die Garagisten im KFZ-Gewerbe zu schützen. 
  

Bei Fragen: Der AGVS-Rechtsdienst hilft weiter
Ob im Arbeitsrecht, Strassenverkehrsrecht oder Versicherungsrecht: Der Rechtsdienst des AGVS hilft in allen für das Autogewerbe relevanten Rechtsbereichen. Die Leistung des Rechtsdienstes des AGVS umfasst eine Kurzberatung, sprich eine Ersteinschätzung, im Rahmen von fünf bis zehn Minuten pro Fall und steht allen AGVS-Mitgliedern kostenlos zur Verfügung:

Ihre Ansprechpartnerin:
Olivia Solari,
Telefon 031 307 15 15,
E-Mail rechtsdienst@agvs-upsa.ch
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